Wenn Menschen an eine Marke denken, haben sie normalerweise ein Logo und einen Slogan vor Augen – die Stimme des Unternehmens wird oft übersehen. Aber im modernen Marketing ist deine eigene Stimme (oder die deiner Kunden) hilfreich, um das digitale Rauschen zu durchbrechen. Was genau ist eine Markenstimme? Einfach ausgedrückt handelt es sich dabei um die Persönlichkeit und die Emotionen, die in die Kommunikation des Unternehmens einfließen. Kate Kiefer Lee, Chief Communications Officer von Mailchimp, ist unsere hausinterne Autorität auf diesem Gebiet. Sie ist nicht nur die Kommunikationsexpertin, die Mailchimps Markenstimme in den vergangenen 10 Jahren mitgeprägt und verfeinert hat. Sie ist auch die Coautorin von Nicely Said, einem praktischen Leitfaden für stilvolles und zielgerichtetes Schreiben. In dieser Fragerunde spricht Kate über die Entwicklung der unverwechselbaren Markenstimme von Mailchimp, die Bedeutung einer empathischen Kommunikation und einige wichtige Geschäftschancen für 2021.
Kate, du bist seit über zehn Jahren bei Mailchimp. Kannst du uns etwas darüber erzählen, wie sich deine Karriere bei Mailchimp entwickelt und wie sich die Marke im Lauf dieser Zeit verändert hat?
Als ich bei Mailchimp anfing, waren wir etwa 30 Leute – und mein Team bestand nur aus meiner Person. Ich habe viel Zeit mit bereichsübergreifenden Aktivitäten verbracht, um unsere Marke zu definieren, Styleguides zu erstellen und mit Humor und Tonalität zu experimentieren. Im Laufe der Zeit hat sich unsere Marke weiterentwickelt und ist reifer geworden; unsere Teams sind jetzt größer, und wir befinden uns in der Skalierungsphase. Wir haben ein unglaubliches Content-Strategieteam, das mit Texter*innen und Designer*innen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zusammenarbeitet, um die Stimme unserer Marke in die Welt zu tragen. Als Leiterin unserer Kommunikations- und Corporate-Citizenship-Teams arbeite ich zwar nicht mehr direkt an Marketinginhalten mit, aber es macht eine Menge Spaß, von der Seitenlinie zuzusehen und nach Möglichkeit auszuhelfen.
Wie würdest du die Markenstimme von Mailchimp beschreiben? Wodurch zeichnet sie sich aus?
Für Unternehmer*innen ist Mailchimp wie ein verlässlicher Gehilfe. Wir nehmen den Unternehmensbetrieb unserer Kundschaft ernst, aber Arbeit sollte auch Spaß machen, und deshalb versuchen wir, auch etwas Humor mit einzubringen. Unsere Stimme ist entspannt, und wir informieren ohne Fachjargon.
Warum ist die Markenstimme wichtig und wie kann sie entwickelt werden?
Die Stimme ist die Persönlichkeit einer Marke. Sie hilft, Menschen von deiner Marke zu überzeugen, Verbindungen zu schaffen und Vertrauen aufzubauen. Marken sind zwar keine Personen, aber man kann sie sich genauso vorstellen wie die Persönlichkeit eines Menschen: Warum ist uns eine Person sympathisch, wenn wir sie zum ersten Mal treffen? Was lässt mit der Zeit Vertrauen zu ihr entstehen? Was tut oder sagt sie, damit wir uns unterstützt und verstanden fühlen?
Um eine starke Markenstimme zu definieren, musst du deine Zielgruppe kennen. Behalte stets die Mission und Vision deines Unternehmens im Blick und sprich deine Kund*innen direkt an.
Erstelle einen einfachen Styleguide, der die Stimme deiner Marke beschreibt. Erstelle eine Liste mit Adjektiven, die die Persönlichkeit deiner Marke definieren. Um die Markenkommunikation näher zu beschreiben, erstelle ich auch gerne Listen nach dem Muster „Wir sind dies, aber nicht das“ – zum Beispiel „Wir sind klug, aber nicht besserwisserisch“. Mache es am Anfang nicht allzu kompliziert – bringe einfach etwas zu Papier und verfeinere es mit der Zeit. Als kleines Unternehmen musst du keinen Riesenaufwand treiben. Einige der besten Markenstimmen-Leitfäden, die ich gesehen habe, sind nur eine einzige Seite lang.
In deinem Buch Nicely Said gehst du auf die Bedeutung einer empathischen Kommunikation ein. Warum ist dies deiner Meinung nach so wichtig? Erkennst du einen Aufwärtstrend bei der emphatischen Kommunikation, insbesondere angesichts der Geschehnisse des abgelaufenen Jahres?
Empathische Kommunikation ist in Wirklichkeit nur eine andere Formulierung für „Sei nett“. Hole deine Kund*innen dort ab, wo sie gerade stehen. Bemühe dich zu verstehen, mit welchen Herausforderungen sie kämpfen und wie du sie dabei unterstützen kannst. Respektiere sie und überschreite nicht ihre Grenzen. Dies war schon immer wichtig, aber ich glaube, in diesen Tagen ist emphatische Kommunikation für noch mehr Marken ein Thema, denn 2020 war ein Albtraum und auf der ganzen Welt haben es die Menschen gerade ziemlich schwer. Das Letzte, was wir brauchen, sind Marken, die unfreundlich zu uns sind.
Apropos schlechte Nachrichten – 2020 war ja wirklich voll davon. Welche Chancen gibt es für Marken in dieser von der Pandemie geprägten Zeit?
Marken haben im Jahr 2021 die große Chance, eine Vertrauensbeziehung zu ihrer Kundschaft aufzubauen. Denke daran, dass deine Kundinnen und Kunden vor neuen Herausforderungen stehen. Versuche zu verstehen, wie deine Marke in dieses Bild passt und wie du helfen kannst. Sprich die Menschen aus diesem Verständnis heraus an.
Der Anfang des Jahres (und in diesem Jahr gilt dies ganz besonders) ist ein guter Zeitpunkt, um deine Texte zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie relevant und passend sind. Behalte die einzigartigen Herausforderungen des Jahres 2020 im Blick. Viele kleine Unternehmen kämpfen ums Überleben. Wenn eine Geschäftsinhaberin nicht weiß, wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll, kann etwas so Einfaches wie eine automatische Kreditkartenablehnung oder eine Erinnerung an einen zurückgelassenen Warenkorb verletzend sein, wenn sie nicht sorgfältig formuliert ist. Wenn du mit Kund*innen kommunizierst, solltest du dich jedes Mal fragen: Ist das verständlich? Ist es freundlich? Ist es hilfreich?
Hast du Tipps zur Bekämpfung von Schreibblockaden?
Wenn dich ein leeres Dokument anstarrt, stelle als Erstes sicher, dass du wirklich etwas zu sagen hast. Wenn du weißt, worüber du schreiben willst, aber Schwierigkeiten hast, deine Gedanken zu Papier zu bringen, versuche zunächst, sie laut auszusprechen. Stell dir vor, du sprichst im wirklichen Leben mit einer Person aus deiner Zielgruppe, und zeichne dich auf. Hör dir die Aufnahme später an und transkribiere sie, und schon hast du deinen ersten Entwurf.
Laut diesem NPR-Artikel ist die Zeichensetzung im Wandel. Ein Punkt am Ende einer SMS kann heutzutage als passiv-aggressiv wahrgenommen werden, und sogar Ausrufezeichen haben inzwischen einen schlechten Ruf! Gibt es aktuelle Kommunikationstrends, die dich besonders nerven?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Leute erwarten, alles, was ich schreibe, müsste perfekt sein, weil ich ja ein Kommunikationsprofi bin. Ich bin zwar gut im Redigieren, wenn es sein muss, aber ich denke nicht ständig über meine persönliche Kommunikation nach. Meine Slack-Nachrichten und E‑Mails sind extrem locker formuliert, und ich beende Textnachrichten selten mit einem Punkt. Solange es wirkt wie von einem Menschen geschrieben, versuche ich, den Kommunikationsstil von anderen nicht zu kritisieren.
Bist du beim E‑Mail-Schreiben für oder gegen Emojis?
Ich verwende nicht viele Emojis in E‑Mails, aber meine SMS- und Slack-Nachrichten bestehen fast nur aus Emojis. Ich liebe das auf dem Kopf stehende Smiley-Gesicht. 🙃