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ERFOLGSGESCHICHTEN

Wie Jenny Gyllander ihre Instagram-Fangemeinde erweiterte und ein florierendes Unternehmen aufbaute

Jenny Gyllander ⚈ Gründerin und CEO ⚈ Thingtesting

Dieses Interview wurde zugunsten von Länge und Klarheit leicht überarbeitet.

Wir haben uns virtuell mit Jenny Gyllander, Gründerin/CEO der unabhängigen Markenentdeckungssite Thingtesting getroffen.

Erfahre mit uns, wie Jenny ihre Instagram-Fangemeinde zu einem Venture-Capital-finanzierten Unternehmen ausgebaut hat, was ihre zwei Schlüssel zur Bedarfsgenerierung sind und was ihrer Meinung nach ihr größter Erfolg ist.

Erzähle uns etwas über deinen Hintergrund und wie Thingtesting entstanden ist.

Ich bin umgeben von Design und Marken aufgewachsen. Ich dachte, ich würde mich in meiner beruflichen Laufbahn darauf konzentrieren, doch dann stolperte ich durch eine Startup-Konferenz namens Slush ins Unternehmertum. Nachdem ich das ein paar Jahre in Vollzeit gemacht hatte, verliebte ich mich in das Unternehmertun.

Als ich 2017 und 2018 bei einem Risikokapitalfonds arbeitete, konnten wir beobachten, wie Unternehmen die europäischen Versionen von D2C-Marken (Direct-to-Consumer) gründeten. Plötzlich traf meine ursprüngliche Leidenschaft für Marken auf die Welt des Unternehmertums. Ich war total begeistert. Ich dachte: „Das ist meine Nische. Ich habe sie gefunden.“ Ich habe in meiner Freizeit Marken ausprobiert und hatte so viel zu sagen. Dann begann ich mit Thingtesting-Instagram, um meine Ansichten zu teilen. Ich sah sie, probierte sie aus, testete sie.

Wann hast du erkannt, dass Thingtesting ankommt, weil die Leute die Aufrichtigkeit und die Tatsache schätzten, dass es sich nicht um gesponserte Rezensionen handelte?

Ich habe an meinen freien Abenden und Wochenenden aus purer Freude und Leidenschaft getestet. Marken boten mir ziemlich schnell Geld an, um ihre Produkte zu rezensieren, aber das habe ich nie getan. Ich hatte einen Vollzeitjob und konnte mir ehrliche Rezensionen leisten. Ich tat es, um die Integrität von Thingtesting zu wahren.

Ich erhielt unheimlich viele E-Mails. Die Wochenenden reichten nicht aus, um an den Dingen zu arbeiten. Die Benutzer*innen hatten eine Menge Ideen, und ich sprach mehr und mehr mit ihnen. Ich war der Meinung, dass es auf jeden Fall Potenzial gab, das ich nutzen konnte. Zunächst habe ich ein Abonnement auf Instagram gestartet. Ich bin weder eine Programmiererin, noch habe ich vertiefte technische Kenntnisse, also habe ich einfach die verfügbaren Tools benutzt. Im Prinzip bezahlten die Leute dafür, einer Community beizutreten, in der ich zusätzliche Inhalte anbot. Ich nannte sie „Thingtesting Friends“.

Ich bin dankbar dafür, denn es zeigte mir, dass sich hinter dem, was ich tat, eine Chance auftat. Ich kündigte meine Stelle und begann, Vollzeit an Thingtesting zu arbeiten. Ich wurde mir bewusst, dass ich das „in der aktuellen Form“ tun konnte. Die Einnahmen reichten aus, um meinen Lebensstil aufrechtzuerhalten und weiterhin ein Produkt nach dem anderen zu rezensieren. Gleichzeitig handelte es sich bei zahlreichen Marken, die mich ansprachen, um Produkte für Haustiere, Kinder und Männer – und es gab noch vieles mehr, das getestet werden musste.

Immer nur ein Produkt nach dem anderen zu testen, war jedoch nicht skalierbar. Ich wollte mehr Stimmen auf Thingtesting hören. Das war der entscheidende Impuls. Ich sah die Chance, etwas ins Leben zur rufen, das wie Goodreads für Bücher oder IMDb für Filme ist: eine unvoreingenommene Drittanbieter-Rezensionsplattform für D2C-Marken.

Ich wandte mich an einige Business Angel und fragte, ob sie meine Idee unterstützen würden, woraufhin ich Finanzierungshilfe erhielt, die mir ermöglichte, zwei Mitarbeitende für das Produktteam einzustellen und mit dem Aufbau von Thingtesting.com zu beginnen.

Ausgehend von der Tatsache, dass du deine Zielgruppe für Thingtesting organisch aufgebaut hast: Wie definierst du Bedarfsgenerierung? Welche Rolle spielt sie bei deinem Marketing?

Es war eine organische Entwicklung, bei der ich das gemacht habe, was mir zu dem jeweiligen Zeitpunkt als der richtige nächste Schritt erschien. Das Wichtigste für mich – oder andere Marken – ist Authentizität. Sie ist der Schlüssel zur Kommunikation mit den Verbrauchenden und zum Aufbau einer Beziehung mit ihnen. Es läuft darauf hinaus, die Dinge anders und besser zu machen. Das ist der springende Punkt bei der Bedarfsgenerierung.

„Es läuft darauf hinaus, die Dinge anders und besser zu machen. Das ist der springende Punkt bei der Bedarfsgenerierung.“

War der Aufbau einer Community schwieriger oder einfacher, als du erwartet hattest?

Wir haben thingtesting.com im März 2020 gestartet – genau in der Woche, in der die Pandemie die Vereinigten Staaten schwer getroffen hat. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, welche Rolle die Pandemie bei der Entwicklung spielte, aber wir sind von einigen hundert D2C-Marken in unserem Verzeichnis auf mehr als 2.000 gewachsen.

In diesem Prozess haben wir neue Kanäle getestet und neue Wege des Austausches mit der Community eingesetzt. Wir sind auf Instagram geblieben, aber es war für mich nicht tragbar, tagsüber zu rezensieren und nachts an der Marke zu arbeiten. Also haben wir weiter Produkte rezensiert, unsere Inhalte aber auf unseren Newsletter verlagert – den Kanal, der am stärksten gewachsen ist.

Jeden Donnerstag versenden wir einen Thingtesting Newsletter über die neuesten Marken und Trends. Es war ein schönes Erlebnis, mitverfolgen zu können, wie sich die Community von einer einzigen Followerin (wobei es sich um meine Mutter handelte) zu einer riesigen Newsletter-Zielgruppe entwickelt hat. Ich möchte diejenigen, die ein Unternehmen gründen und führen, dazu ermutigen, beim Ausprobieren neuer Dinge ihrem Bauchgefühl zu folgen. Für uns war dies der Schlüssel dazu, unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Instagram war unsere Startplattform, aber heute wird unser Newsletter vorwiegend auf dem Desktop genutzt. Genau das ist es, was für uns und unsere Community im Moment Sinn macht.

Schnelle, lustige Fakten mit Jenny

  • Ich bin eher ein Morgenmensch. Die Arbeit, die vertiefte Konzentration erfordert, erledige ich morgens.

  • Extrovertiert. Aber während der Pandemie ist etwas Interessantes passiert: Ich habe erkannt, wie wichtig es ist, sich Zeit für sich selbst zu nehmen – vor allem, wenn man ein Unternehmen führt.

  • Ich liebe Tokio über alles. Es ist einer der coolsten Orte der Welt. Aber Helsinki, meine Heimatstadt, ist auch eine tolle Stadt, und ich liebe den Lebensstil.

  • Mich fasziniert Design. Vielleicht würde ich Grafikdesignerin werden.

Mit Blick auf die Zukunft, was sind deine Pläne in Bezug auf das Testen neuer Kanäle und Plattformen?

Authentizität ist ein ganz wesentlicher Punkt. Die Kanäle, die für unser Team am sinnvollsten sind, sind auch die erfolgreichsten.

Natalie Sportelli ist unsere neue Leiterin für den Bereich Inhalte. Sie leistet hervorragende Arbeit und erkundet auch neue Kanäle. Aber bei der Einführung muss man vorsichtig sein. Wenn man auf einer neuen Plattform aktiv wird, verpflichtet man sich, mehr Inhalte zu erstellen. Daher ist es wichtig, diese sorgfältig auszuwählen.

Lange Zeit haben wir uns darauf konzentriert, Leser*innen für die von uns erstellten Inhalte zu gewinnen und die von uns kuratierten Marken zu erkunden. Seit wir im vergangenen Herbst mit dem Schreiben von Rezensionen begonnen haben, liegt unser Fokus darauf, unsere Benutzer*innen bei Crowdsourcing-Rezensionen auf Thingtesting einzubinden. Dies war von Beginn an eine meiner Vorstellungen.

Was hast du auf deinem Weg als Unternehmerin gelernt, womit du nicht gerechnet hast?

Ich habe sehr viel gelernt – die Liste ist sehr lang. Einer der Vorteile des Unternehmertums ist, dass man ständig dazu lernt. Jeden Tag tust du etwas, das du nie zuvor getan hast. Du musst dich ständig ändern und anpassen. Anfangs gab es nur mich auf Instagram, heute sind wir ein Team von 11 Personen in Skandinavien, Afrika und den USA.

Etwas aus der Ferne aufzubauen, war eine Lernerfahrung. Ich bin erstmals seit Covid-19 in New York und treffe mein Team zum ersten Mal persönlich. Es ist unglaublich, wie der Aufbau einer Kultur bei Remote-Teams funktioniert. Jeder ist anders. Die Herausforderungen, die mit dem Aufbau eines Teams aus der Ferne verbunden sind, habe ich nicht erwartet, aber es macht mir Spaß. Da wir international einstellen, sehe ich in der ständig gegebenen räumlichen Distanz eine Chance.

Eine weitere Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, meiner Vision treu zu bleiben. Viele D2C-Marken nutzen Rezensions-Tools von Erstanbietern. Daher ist das, was wir dann sehen, kuratiert und gefiltert und stellt nur einen Teil des tatsächlich Vorhandenen dar. Ich habe mich geärgert, als ich das erfahren habe. Wie sollen sich Verbrauchern und Verbraucherinnen davon ein vollständiges Bild machen?

Ich denke an die Zeiten, in denen ich Geld für Rezensionen hätte annehmen können und damit das Vertrauen der Verbraucher*innen untergraben hätte. Ich habe gelernt, dass wir das Vertrauen bewahren und beharrlich sein müssen, um unserer Vision treu zu bleiben.

Man muss sich ständig weiterentwickeln und flexibel sein, aber wenn man als Unternehmer*in ein Bauchgefühl hat, dass etwas richtig oder falsch ist, sollte man darauf hören. Zuhören und uns selbst treu bleiben ist der nachhaltigste Wert, den wir für unser Unternehmen und uns selbst schaffen.

Wie können Personen, die ein Unternehmen gründen und führen, eine hervorragende D2C-Marke aufbauen?

Ich sehe Marken, die sich auf Wachstum und Benutzerakquise konzentrieren, obwohl sie ihr Augenmerk auf die Produktentwicklung richten sollten. Man sollte erst dann weitere Maßnahmen ergreifen, wenn das Produkt stimmt. Nichts ist wichtiger als die Qualität dessen, was man verkauft. Man soll nicht anfangen, etwas zu skalieren, das noch nicht dafür bereit ist. Es spielt kein Rolle, ob deine Kampagnen schön oder deine Verpackungen umwerfend sind, wenn dein Produkt kaputt geht. Ich gebe Gründer*innen dieses Feedback, weil ich den Leuten helfen will, bessere Produkte zu kaufen.

„Man sollte erst dann weitere Maßnahmen ergreifen, wenn das Produkt stimmt. Nichts ist wichtiger als die Qualität dessen, was man verkauft.“

Du hast viele Auszeichnungen erhalten. Unter anderem tauchst du in der „Forbes 30 Under 30“-Liste auf und bist bei Product Hunt auf den ersten Platz gewählt worden. Wie hast du das verarbeitet und gleichzeitig dein Unternehmen geführt?

Ich fühle mich sehr geehrt. Ich betrachte es nicht als selbstverständlich. Die Auszeichnung erhielt ich für einen Instagram-Account, und es war überwältigend, weil ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte.

Ich hätte Empfehlungen einholen können, was ich als Nächstes tun sollte, und einen anderen Weg einschlagen können. Aber es war wichtig für mich, darüber nachzudenken, was ich aufbauen wollte.

Mein Fokus liegt mehr auf unmittelbaren Dingen und nächsten Schritten: Ist das, was wir heute veröffentlichen, gut? Gefällt es den Benutzer*innen? Werden sie uns erneut besuchen?

Wie weit denkst du voraus? Wie bewältigst du es, das gegenwärtige Erlebnis zu planen und gleichzeitig die zukünftige Entwicklung einzubeziehen?

Ich denke jeden Tag darüber nach. Ich berücksichtige sowohl die unmittelbar nächsten Schritte als auch Dinge, die erst in 10 Jahren sein werden. Für mich geht es darum, der Vision treu zu bleiben, sie weiterzuentwickeln und den Benutzer*innen hinsichtlich ihrer Ansichten zu dem Produkt Gehör zu schenken. Das ist mein Job und ich liebe ihn.

Ich habe diese Vision schon seit geraumer Zeit. Ich habe mich von den Michelin-Stern-Stickern für Restaurants inspirieren lassen. Wie gibt man jedem Einzelhandelsgeschäft, ob online oder offline, einen solchen Nachweis und diese Anerkennung? Wie baut man diese Vertrauenswürdigkeit auf? Diese Fragen lassen mich nachts nicht schlafen und faszinieren mich, weil der Weg nicht klar ist. Vertrauen aufzubauen ist eines der schwierigsten Dinge, die es gibt. Aber dieses Gütesiegel zu sehen, ist meine Vision.

Egal, ob es sich um die erste Erstellung des Logos von Thingtesting in PowerPoint oder die erstmalige Zusammenarbeit mit einem Grafikdesigner handelte: Wir haben stets überlegt, wie es auf Türen und Stickern wirken würde. Von dieser Vision sind wir noch weit entfernt, aber es macht mir Spaß zu sehen, wie Dinge zum Leben erwachen.

„Für mich geht es darum, der Vision treu zu bleiben, sie weiterzuentwickeln und den Benutzer*innen hinsichtlich ihrer Ansichten zu dem Produkt Gehör zu schenken. Das ist mein Job und ich liebe ihn.“

Was war dein bahnbrechendster Erfolg?

Für mich war es der Aufbau eines Teams. Vor zwei Jahren war es nur mein Instagram-Account. In meinen kühnsten Träumen hätte ich nie gedacht, dass ich ein Team haben würde oder mir Mittel zur Startfinanzierung bereitstehen würden. Ich war hocherfreut, als ich sah, dass einer der Partner von Forerunner Ventures dem Instagram-Account von Thingtesting folgte. Forerunner war der Venture-Capital-Fonds, den ich wollte. Ich bin stolz darauf, mit den besten Leuten der Branche zusammenzuarbeiten.

Diese Finanzierung ermöglichte mir, ein Team aufzubauen. Auf diesen Erfolg bin ich besonders stolz. Es ist eine lohnende Erfahrung, wenn man feststellt, dass andere dieselbe Vision haben und Probleme auf dieselbe Weise lösen.

Vor Covid-19 hatten wir eine Veranstaltung in einer White-Space-Galerie, bei der 15 Gründer*innen über ihre Marken sprachen. Wir nannten es Thingtesting Labs, und es kamen 250 Personen. Investor*innen. Verbraucher*innen. Meine Mutter. Ein ganzes Spektrum von Unterstützer*innen, und allen hat es gefallen.

Ich stand im Hintergrund und dachte: „Das ist es. Das ist es, was ich aufbauen möchte. Es geschieht direkt vor meinen Augen. Gründer*innen und Benutzer*innen, die gemeinsam Dinge entdecken, genießen und rezensieren.“ Ich fragte mich: „Wie können wir das, was hier passiert, im Internet auf eine vertrauenswürdige, intime und aufregende Weise umsetzen?“ Die Welt braucht bessere Produkte. Anderen Menschen dabei zu helfen, sie zu entdecken, ist eine erfüllende Aufgabe für mich.

Wie sollte ein*e Unternehmer*in Menschen für sein/ihr Produkt begeistern?

Ich würde dafür sorgen, dass das Produkt gut ist, dass sie stolz darauf sind und dass es funktioniert. Man muss Dinge tun, die sich nicht skalieren lassen, bevor man Dinge in großem Maßstab tut. Von da an wird jede(r) einzelne Unternehmer*in anders vorgehen.

Ich komme noch einmal auf die Authentizität zurück. Gründer*innen müssen die erste Stimme für ihre Marke und ihr Produkt sein. Wenn man nicht authentisch ist, wird es schwierig, weil Menschen das spüren.

Welche Erfahrung hättest du im Nachhinein besser direkt zu Beginn berücksichtigt?

Ratschläge von anderen sind immer gut, aber du solltest auf deine innere Stimme hören. Das Geheimnis der Bedarfsgenerierung besteht darin, die Dinge anders und besser zu machen. Es geht darum, sich selbst treu zu bleiben und authentisch zu sein.

Es spielt keine Rolle, wie viele Bücher über Führung oder Unternehmertum man liest, denn wenn das Problem auftritt, hat man möglicherweise kein Buch mit der Lösung zur Hand. Es ist wichtig, von den Erfahrungen anderer Gründer*innen, Berater*innen, Investor*innen und Geldgeber*innen zu lernen. Du baust dein ganzes Leben lang ein Netzwerk von Menschen auf, denen du vertraust. Ob du Unternehmer*in wirst oder nicht: Sorge dafür, dass du über ein Netzwerk von Menschen verfügst, die dich unterstützen.

Veröffentlicht: 20. Januar 2022

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